Ortsgeschichte Gumpoldskirchen

Der südlich von Wien an der Thermenlinie liegende Markt Gumpoldskirchen ist einer der bekanntesten Winzerorte Österreichs, dessen Weinbautradition bis in das 12./13. Jahrhundert zurückreicht. Schon in den ältesten Quellen zur Ortsgeschichte werden Weingärten erwähnt. Der 1140 erstmals genannte Ort war im Besitz der Babenberger und entwickelte sich im Laufe des Mittelalters zu einem bedeutenden Weinmarkt (1. urk. Marktnennung 1380), der mit Gräben und vier Toren befestigt war. Als einer der vier landesfürstlichen „Bannmärkte“ war Gumpoldskirchen – neben Langenlois, Mödling und Perchtoldsdorf – im 15. Jahrhundert im Landtag vertreten. Vom Reichtum und Selbstbewusstsein der Winzer zeugen die Renaissance-Häuser aus dem 16. Jahrhundert und vor allem das unter Marktrichter  Mang Karner 1559 errichtete stattliche Rathaus mit den Laubengängen im Erdgeschoss und ersten Stock. Der neben dem Rathaus aufgestellte Pranger (1563) war ursprünglich eine römische Wegsäule. Teil des malerischen Ensembles im Zentrum des Marktes ist auch der aus späterer Zeit stammende Marktbrunnen mit einem römischen Sarkophag als Bassin (um 1700).

Nordöstlich des Ortes liegt eines der ältesten Weingüter Österreichs, das seit 1141 vom Stift Heiligenkreuz bewirtschaftete Freigut Thallern (www.klosterweingut-thallern.at). Auch zahlreiche andere Klöster, darunter die Stifte Zwettl und Melk, hatten in Gumpoldskirchen Besitz und Lesehöfe.

Ein weithin sichtbares Wahrzeichen des Marktes ist das Deutschordensschloss und die daneben liegende Pfarrkirche – ursprünglich eine Burgkirche – auf dem erhöht liegenden Kirchenplatz. Die Pfarre wurde vermutlich um 1200 als Filiale von Traiskirchen gegründet und bald darauf selbstständig (Pfarrer urk. 1216). 1241 übergab der letzte Babenbergerherzog Friedrich II. Schloss und Kirche dem Deutschen Orden, der seither in Gumpoldskirchen ansässig ist und die Pfarre bis heute seelsorglich betreut. 
Ende des 14. Jahrhunderts erfolgte der Umbau in eine gotische Hallenkirche mit vorgestelltem Westturm. nach den Zerstörungen durch die Ungarn (1446) und Türken (1529) wurden Kirche und Schloss zu einer Kirchenfestung mit Wassergraben und wehrhafter Kirchenmauer ausgebaut. Das im Kern mittelalterliche Schloss wurde mehrmals um- und ausgebaut, zuletzt 1931. Damals wurde der Vierflügelbau um ein Stockwerk erhöht und bedeutend verändert. Im Zuge der Enteignung des Ordens in der NS-Zeit wurde das Schloss zum „ersten Reichsweingut“ (1938), kam aber nach dem Krieg wieder in den Besitz des Ordens und wurde bis in die 1980er Jahre als von Ordensschwestern geführtes Altersheim genutzt. Seit der Generalsanierung 1998/99 ist es wieder Sitz der Ordensbrüder und wird für Seminare und Tagungen genutzt.

Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert setzte auch in Gumpoldskirchen die Industrialisierung ein (u. a. Seidenfabrik, Knopffabrik, Ölfabrik, Papierfabrik). Vor allem entlang des Wiener Neustädter Kanals und an der Südbahn siedelten sich Betriebe an, die teilweise bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bestanden. Die Gumpoldskirchner Bleiwarenfabrik schloss 1976, die Lederfabrik musste aufgrund eines Umweltskandals durch den Druck der Bevölkerung im Jahr 1988 schließen.

Dominierender Wirtschaftszweig blieb aber auch im 19. Jahrhundert der Weinbau, weshalb das Auftreten der Reblaus, eine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika eingeschleppte Blattlaus-Verwandte, zur wirtschaftlichen Katastrophe führte. Die Zerstörung der Weinkulturen in den 1880er Jahren war Anlass der Gründung der Wein- und Obstschule in Gumpoldskirchen, die 1898 eröffnet wurde und sich zu einer der bedeutendsten landwirtschaftlichen Lehranstalten in Österreich entwickelte. Es war nicht zuletzt ein Verdienst der „Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumswinzerschule“, das die Rebkulturen gerettet werden konnten.

Um 1900 erlebte der alte Winzerort eine großflächige Ortserweiterung durch planmäßig konzipierte Gartensiedlungen sowie ein Cottage-Viertel mit Ein- und Zweifamilienhäusern in späthistoristischen, Jugend- und Heimatstilformen. Durch die im 20. Jahrhundert errichteten Neubauten jenseits der Südbahntrasse war die Südbahn lange Zeit eine mitten durch den Ort führende Grenze: „Ober der Bahn“ war das Weinhauergebiet, wo die Einheimischen lebten, „unter der Bahn“ wohnten die Zuzügler.

Etwa ein Jahrhundert nach der Reblaus erschütterte 1985 der Glykolskandal die Weinwirtschaft und führte in weiterer Folge zu einer verstärkten Investition in die Qualität der Produktion, sodass sich immer mehr Gumpoldskirchner Weine zu hochwertigen und prämierten Weinen entwickelten.

Quelle: www.landesmuseum.net